Fälle des Monats
- Fall des Monats „Oktober 2011“: Nitrospray für die Mundpflege???
- Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de
Fall des Monats „Oktober 2011“: Nitrospray für die Mundpflege???
- Titel: Nitrospray für die Mundpflege???
- Altersgruppe: keine Angabe
- Geschlecht: keine Angabe
- Zuständiges Fachgebiet: keine Angabe
- In welchem Kontext fand das Ereignis statt?: anderer Kontext: Pflegerische Maßnahme
- Wo ist das Ereignis passiert?: Krankenhaus
- Versorgungsart: Routinebetrieb
- Was ist passiert?: Eine Praktikantin, die seit ca. 4 Wochen auf der Station arbeitet, fragt eine examinierte Pflegekraft, ob sie bei einem Patienten Mundpflege machen soll. Die Pflegekraft erlaubt ihr diese Tätigkeit und nimmt dann wahr, dass die Praktikantin sich das Nitrospray anstelle des Mundsprays nimmt und damit in die Mundhöhle sprühen möchte. Die Pflegekraft kann die Praktikantin noch stoppen, so dass es nicht zu einer Verabreichung von Nitrospray kam.
- Was war das Ergebnis?: Die Verabreichung von Nitrospray erfolgte nicht, es wurde eine korrekte Mundpflege durchgeführt.
- Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis und wie könnte es in Zukunft vermieden werden?: Es fehlte eine korrekte Anweisung an die Praktikantin ("Mundpflege mit Mundpflegespray"). Das Nitrospray stand in der Nähe des Mundpflegesprays ("frei verfügbar"). Möglicherweise war die Einarbeitung der Praktikantin lückenhaft.
- Wie häufig tritt ein solches Ereignis ungefähr auf?: Erstmalig
- Kam der Patient zu Schaden?: nein
- Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?: Kommunikation (im Team, mit Patienten, mit anderen Ärzten etc.); Ausbildung und Training
- Wer berichtet?: Pflege-, Praxispersonal
Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de
Autorin: Iris Meyenburg-Altwarg, Dipl. Pflegewirtin, RN, Hannover
An diesem Fallbeispiel wird klar, dass die verantwortliche Pflegekraft vor Ort sich nicht ausreichend von den für
diese Tätigkeit notwendigen Kennntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Praktikantin überzeugt hatte. Das
gleiche gilt für die Praktikantin selbst, die sich augenscheinlich nicht über die Tragweite und das
Gefährundungspotential bewußt war. Inwieweit es sich bei Mundpflege überhaupt um eine delegierbare Tätigkeit
an Praktikanten handelt, lässt sich aus der Distanz nicht beurteilen, da der Zustand des Patienten und der sich
daraus ergebenden notwendigen Pflegefachexpertise nicht bekannt ist. Ebenso ist nicht eindeutig, wie
umfangreich und komplex die Mundpflege an diesem Patienten geplant war. Unklar bleibt auch, wo und wie das
Nitro-Spray gelagert war.
Die Bandbreite der Qualifikationen von diversen Praktikanten mit unterschiedlichen beruflichen Erfahrungs-und
Wissenshintergrund lassen eine pauschale „Abgabe” vonTätigkeiten nicht zu. In diesem Falllbeispiel fehlt leider
die Information darüber über welche (formale) Qualifikationen die Praktikantin verfügt.
Grundsätzlich kann ein Praktikant aufgrund seines Kenntnisstandes und des rechtlichen Status, nicht
eigenverantwortlich tätig werden, sondern handelt immer gemäß der Anordnung oder Anweisung einer
examinierten Pflegekraft oder eines Arztes. Erst wenn dem Praktikanten durch eine qualifizierte Bezugsperson
Tätigkeiten oder Aufgaben gezeigt wurden und die Bezugsperson sich von der adäquaten Durchführung
überzeugen konnte, können bestimmte Tätigkeiten übertragen werden.
Eine strukturierte Anleitung kann/sollte in 3 Stufen eingeteilt werden:
- Stufe des Zeigens und Erklärens
- Stufe des Übens unter Aufsicht
- Stufe des selbstständigen Durchführen
Die Pflegekraft vor Ort bleibt aber für die Erbringung der Pflegemaßnahmen verantwortlich und bestimmt den
für die Situation angemessenen Einsatz einer Assistenz bei der Erbringung von Pflegetätigkeiten [1].
Unterstützung hierfür und weitreichende Informationen für einen strukturierten und qualitätsgesicherten Umgang
mit Praktikanten gibt der neu erschienene Praktikanten-Leitfaden des VPU.
Des Weiteren stellt sich die Frage inwieweit es aktuelle und evidenzbasierte Standards für
pflegerischeTätigkeiten allgemein, und welche davon ggf. an andere Personen delegiert werden können,
vorhanden sind und ob diese auch benutzt werden.
Abschließend sollte geprüft werden, ob hier zusätzliches Gefährdungspotential hinsichtlich Look Alike / Sound
Alike (siehe auch Fall des Monats September 2011) und der Art wo und wie Pflegeprodukte/Medikamente
aufbewahrt werden besteht.
Zusammenfassend ergeben sich folgende Bearbeitungspunkte:
- Verbindliche Handlungsgrundlage schaffen für den Umgang mit Tätigkeitsveschiebung auf unqualifiziertes Personal auf Station
- Anpassung der Organisation und der Pflegekonzepte für einen Skill-Mix auf Station
- Etablieren einer gelebten Sicherheitskultur statt Fehlerkultur
Literatur:
[1]»Praktikanten - Einführung für Praktikanten in der Pflege - Zusammenarbeit von Anfang an«
(ISBN 978-3-00-034636-1)
Bezugsquelle: Universitätsklinikum Münster
http://www.vpu-online.de/de/aktuelles/meldungen/2011-05-13_11-11.php
Preis: 34,95 €