Fälle des Monats
Fall des Monats "November 2024": Wo ist der Patient?
Fall-Nummer:
268627
Zuständiges Fachgebiet:
Kinder- und Jugendmedizin
Altersgruppe des Patienten:
2 - 5
Geschlecht des Patienten:
unbekannt
Wo ist das Ereignis passiert?
Krankenhaus
Welche Versorgungsart:
Notfall
In welchem Kontext fand das Ereignis statt:
Organisation (Schnittstellen / Kommunikation)
Was ist passiert?
In der Nacht wurde ein Patient mit Intoxikation aufgenommen. Der Patient ist betreuungsintensiv, was während der Aufnahme nicht abschätzbar war. Die stationäre Aufnahme erfolgte zunächst ohne Begleitperson. Während eines Toilettengangs blieb der Patient nur kurz unbeaufsichtigt und war nach Wiederankunft der Pflegekraft verschwunden.
Was war das Ergebnis?
Patient war längere Zeit abgängig und musste gesucht werden.
Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereigniss?
Aufnahme in der Nacht stationär, wenig Personal auf der Station.
Bei betreuungsintensiven Patienten sollte möglichst eine gleichzeitige Aufnahme eines Angehörigen erfolgen.
- Das Personal sollte sich Hilfe suchen, bei solchen Fällen und schauen, wo es in der Klinik Personalressourcen oder Unterstützung jeglicher Art gibt.
- Persönliche Patientenübergabe bei der Verlegung von Patienten mit einer möglichst standardisierten Übergabekommunikation
Kam der Patient zu Schaden?
nein
Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei:
- Persönliche Faktoren des Mitarbeiters (Müdigkeit, Gesundheit, Motivation etc.)
- Organisation (zu wenig Personal, Standards, Arbeitsbelastung, Abläufe etc.)
- Kontext der Institution (Organisation des Gesundheitswesens etc.)
Wie häufig tritt dieses Ereignis ungefähr auf?
nicht anwendbar
Wer berichtet?
Pflege-, Praxispersonal
Verlinkungen
Fall-Nr: 256894
Feedback des CIRS-Teams / Fachkommentar
Kommentar:
Autor: Priv.-Doz. Dr. med. Burkhard Rodeck: Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ)
Das BGB legt fest, dass Eltern die Pflicht haben, ihre Kinder zu pflegen, zu erziehen und zu beaufsichtigen. Eine Übertragung der Aufsichtspflicht kann automatisch, vertraglich oder auch mündlich vereinbart werden. Im vorliegenden Fall ging die Aufsichtspflicht über das offensichtlich nicht begleitete Kind automatisch auf die Klinik über. Wird die Aufsichtspflicht verletzt, können Schadensersatzansprüche entstehen. Wann eine Verletzung der Aufsichtspflicht vorliegt, ist nicht pauschal definiert und hängt u. a. vom Alter und Charakter des Kindes sowie der Umgebung ab. Letzteres ist in der Beurteilung des zur Diskussion stehenden Falls entscheidend.
Grundsätzlich gilt, dass Kinder bis zum 3. Lebensjahr nicht ohne Aufsicht sein sollten. Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich im vorliegenden Fall um ein älteres Kleinkind handelte, dass selbstständig zum Toilettengang fähig war. Eine Beurteilung des Autonomiegrades des Kindes im Rahmen einer Notfallaufnahme in einer Klinik ist nicht abschließend möglich, so dass eine ständige Aufsicht bis zur Gewinnung eines Eindrucks der Selbstständigkeit und Selbstverantwortung des Kindes geboten war. In Abhängigkeit der Umgebung wäre der unbeaufsichtigte Toilettengang verantwortbar gewesen (z. B. für Kinder gesicherter Stationsbereich, eigene Toilette auf dem Zimmer), in einer offenen Notaufnahme hätte das dem/der Verantwortlichen unbekannte Kind in einer für das Kind ungewohnten Umgebung nicht unbeaufsichtigt gelassen werden dürfen. Letztlich kommt es auch auf den Zeitraum der Nichtaufsicht an. Kinder können in der Umsetzung des Wunsches nach Automomie/Freiheit sehr kreativ sein.
Die im CIRS-Report angegebenen Gründe, die zum Ereignis führten, sind korrekt. Eine lückenlose Aufsicht über das Kind wäre wahrscheinlich nur mit höherem Personaleinsatz möglich gewesen. In einer Notaufnahme sind u. U. auch mehrere Patienten gleichzeitig zu betreuen, so dass auch dieser Umstand ggf. zum Ereignis beigetragen hat. Das kann aufgrund der in dieser Hinsicht nicht ausreichend ausführlich dargelegten Umstände im Report nur spekuliert werden.