CIRS Berlin ÄZQ Deuschte Krankenhaus Gesellschaft Deutscher Pflegerat e.V.

Fälle des Monats

Fall des Monats "September 2015": Patientenverwechslung - Todesbescheinigung auf falschen Patienten ausgestellt

      • Titel: Patientenverwechslung - Todesbescheinigung auf falschen Patienten ausgestellt
      • Fall-Nr: 126892
      • Zuständiges Fachgebiet: anderes Fachgebiet: Zentrale Notaufnahme
      • Geschlecht des Patienten: weiblich
      • Wo ist das Ereignis passiert?: Notfalldienst / Rettungswesen
      • Welche Versorgungsart: Notfall
      • In welchem Kontext fand das Ereignis statt?: Organisation (Schnittstellen / Kommunikation)
      • Was ist passiert?: Frau Musterfrau A ("Musterfrau" stellvertretend für alle gängigen und sehr häufig vorkommenden Vor- und Zunamen) wurde notfallmäßig von ihrem Hausarzt bei uns eingewiesen. Als Anschrift wurde anstelle der eigentlichen Adresse von Frau Musterfrau A die Adresse eines Seniorenzentrums angegeben, in welchem sie sich in Kurzzeitpflege befand.
        Frau Musterfrau A war bei der stationären Aufnahme in schlechtem Allgemeinzustand und zum Ort und Ereignis desorientiert. Bereits bei der Registrierung von Frau Musterfrau A im KIS der Notaufnahme fand die Verwechslung mit einer anderen Frau Musterfrau B - allerdings mit anderem Geburtsdatum - statt. Dies war zum einen dem häufig vorkommenden Namen sowie der angegebenen Adresse geschuldet, da Frau Musterfrau B ebenfalls im Seniorenzentrum wohnt.

        Während des kurzen eintägigen stationären Aufenthaltes wurde diese Verwechslung nicht bemerkt.
        Frau Musterfrau A verstarb am Tag nach der stationären Aufnahme während ihres Krankenhaus-Aufenthaltes. Für tot erklärt wurde jedoch - aufgrund der Verwechslung - die andere Frau Musterfrau B. Dieser Fehler wurde allerdings erst nach Todesfeststellung und Ausstellung der Todesbescheinigung bemerkt. Zu diesem Zeitpunkt war die Sterbebeurkundung beim Standesamt aufgrund der vorliegenden (nicht korrekten) Todesbescheinigung bereits abgeschlossen.

        Es erfolgte eine umgehende Information sowohl innerhalb des Krankenhauses als auch des Gesundheitsamtes und des Standesamtes.

        Mittlerweile wurde die korrekte Identität festgestellt und die korrekte Todesbescheinigung ausgestellt.
      • Was war das Ergebnis?: Alle bereits stattgefundenen Vorgänge sowie von den Behörden erstellten Dokumente mussten korrigiert werden. Dies bedeutete einen erheblichen Zeitaufwand für Mitarbeiter des Klinikums, der Behörden und des Bestattungsunternehmens, das den Leichnam nicht abholen konnte. Damit verbunden waren unnötige Kosten.
        Es entstand große Besorgnis/Verwirrung über die möglichen Folgen (z. B. falscher Rentenbescheid mit weitgehenden Folgen) und darüber, was geschehen wäre, wenn die Verwechselung nicht entdeckt worden wäre.
      • Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis?: Grund für dieses Ereignis war unzureichende Sorgfalt.
        Es hätte bereits während der Registrierung von Frau Musterfrau A in der Notaufnahme genauer auf alle wesentlichen Personalien (Vor- und Zuname, Geburtsdatum und Adresse) geachtet werden müssen.
        Weiterhin hätte im Laufe des stationären Aufenthaltes der Abgleich der Patientendaten erfolgen müssen.
        Zusätzlich hätten - soweit zur Verfügung stehend - andere Hilfsmittel zur Identifikation herangezogen werden können (Einweisungsschein Hausarzt, Versichertenkarte, Personalausweis).
        Alle Mitarbeiter sollten für diese Thematik sensibilisiert werden, um einen solchen Fall in Zukunft zu vermeiden. Ebenso werden die Kooperationspartner über diesen Fall informiert.
      • Kam der Patient zu Schaden?: nein
      • Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?:
        • Kommunikation (im Team, mit Patienten, mit anderen Ärzten etc.)
        • Ausbildung und Training
        • Persönliche Faktoren des Mitarbeiters (Müdigkeit, Gesundheit, Motivation etc.)
        • Teamfaktoren (Zusammenarbeit, Vertrauen, Kultur, Führung etc.)
        • Organisation (zu wenig Personal, Standards, Arbeitsbelastung, Abläufe etc.)
        • Patientenfaktoren (Sprache, Einschränkungen, med. Zustand etc.)
      • Wie häufig tritt dieses Ereignis ungefähr auf?: erstmalig
      • Wer berichtet?: andere Berufsgruppen

 

Fachkommentar der Steuergruppe KH-CIRS-Netz Deutschland:

Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de:

Autoren: Christina Trewendt und Dr. Christian Thomeczek in Vertretung der Steuergruppe des KH-CIRS-Netz D

Im CIRS-Bericht wird die Verwechslung von den Patientinnen Musterfrau A und Musterfrau B bei der Krankenhausaufnahme geschildert. Die Verwechslung ist im Rahmen des eintägigen stationären Aufenthalts nicht aufgefallen. Frau Musterfrau A verstarb, jedoch wurde fälschlicherweise Frau Musterfrau B für tot erklärt. Die damit verbundenen Formalitäten wurden mit den Angaben von Frau Musterfrau B ausgestellt (Todesbescheinigung, Sterbebeurkundung beim Standesamt). Erst nach Erledigung der Formalitäten wurde die Verwechslung bemerkt und die falschen Angaben mit entsprechend hohem administrativem Aufwand richtiggestellt.


Beitragende Faktoren der Ereignisentstehung werden im CIRS-Bericht geschildert und zusammengetragen. Diese können sein:

  • Ähnliche personenbezogene Daten: beide Patientinnen haben sehr häufig vorkommende Namen und wohnen in dem gleichen Seniorenzentrum
  • Patientenfaktoren: schlechter Allgemeinzustand, Patientin zu Ort und Ereignis desorientiert
  • Unzureichende Patientenidentifikation während der Krankenhausaufnahme: keine Überprüfung des Geburtsdatums
  • Unzureichende Überprüfung der Patientenidentität im Rahmen der Todesfeststellung und Ausstellung der Todesbescheinigung

Um eine Patientenverwechslung im Rahmen der Krankenhausaufnahme zu vermeiden, wird die korrekte Identität anhand mehrerer Identifikationsmerkmale geprüft und jedem Patienten eine Identifikationsnummer zugewiesen. Gemäß der "Handlungsempfehlung zur sicheren Patientenidentifikation" des Aktionsbündnisses Patientensicherheit [1] besteht der Kerndatensatz für die Patientenidentifikation mindestens aus:

  • Familienname;
  • Vorname;
  • Geburtsdatum;
  • Identifikationsnummer.

Die Patientenidentität ist anhand eines ausweisenden Dokumentes im Rahmen der administrativen Aufnahme zu prüfen (z. B. Personalausweis, Versichertenkarte). Bei bereits vorhandenen Patientendaten im Krankenhausinformationssystem ist der gesamte Kerndatensatz auf Stimmigkeit abzugleichen. Nach Möglichkeit sollen die Patienten einbezogen und aktiv nach ihren personenbezogenen Angaben befragt werden ("Wie heißen Sie?", "Wann sind Sie geboren?") [1].

Um Verwechslungen im Rahmen der Todesfeststellung bzw. der Ausstellung der Todesbescheinigung zu vermeiden, ist gesetzlich vorgegeben, die Identität ggf. anhand von personenbezogenen Dokumenten (z. B. Personalausweis, Reisepass) zu prüfen. Die Daten zur Person werden in der Todesbescheinigung dokumentiert. Zudem wird angegeben, wie die Identifikation sichergestellt wurde [2]:

  • Aufgrund eigener Kenntnis
  • Nach Einsicht in den Personalausweis/Reisepass
  • Nach Angaben von Angehörigen
  • Nicht möglich

Literatur:

  1. Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS). Handlungsempfehlung zur sicheren Patientenidentifikation. 2006 [cited: 2015 Sep 03]. Available from: http://www.aps-ev.de/fileadmin/fuerRedakteur/PDFs/Handlungsempfehlungen/Patientenidentifikation/08-03-03_PID_Empfehlung_final_0.pdf
  2. Madea B, Dettmeyer R. Ärztliche Leichenschau und Todesbescheinigung. Kompetente Durchführung trotz unterschiedlicher Gesetzgebung der Länder. Dtsch Arztebl 2003;100(48): A-3161-79