CIRS Berlin ÄZQ Aktionsbündnis Patientensicherheit Deuschte Krankenhaus Gesellschaft Deutscher Pflegerat e.V.

Fälle des Monats

Fall des Monats „Januar 2011“: Verwechslung von KCl und NaCl bei Vorbereitung von Kurzinfusion

  • Titel: Verwechslung von KCl und NaCl bei Vorbereitung von Kurzinfusion
  • Altersgruppe: Keine Angabe
  • Geschlecht: Keine Angabe
  • Zuständiges Fachgebiet: Keine Angabe
  • In welchem Kontext fand das Ereignis statt?: Nichtinvasive Massnahmen (Diagnostik / Therapie)
  • Wo ist das Ereignis passiert?: Krankenhaus
  • Versorgungsart: Routinebetrieb
  • Was ist passiert?: Kurzinfusion eines Antibiotikums mit 100 ml KCL (KaliumChlorid) aufgelöst. Erst beim Entsorgen der Glasflasche bemerkt. Was war das Ergebnis? Kein Schaden, da Flasche nicht beim Patienten angehängt wurde.
  • Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis und wie könnte es in Zukunft vermieden werden?: Überlastung am Arbeitsplatz. Trotz mehrfacher Überlastungsanzeigen, keine Reaktion der Krankenhausleitung. Kein konzentriertes Arbeiten möglich.
  • Wie häufig tritt ein solches Ereignis ungefähr auf? Erstmalig
  • Kam der Patient zu Schaden? Nein
  • Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?: Organisation (zu wenig Personal, Arbeitsbelastung etc.) Kontext der Institution (Organisation des Gesundheitswesens etc.)
  • Wer berichtet?: Andere Berufsgruppe

Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de

Autor: Dr. Torsten Hoppe-Tichy

Kaliumchlorid-Konzentrat darf nur mit speziellem Monitoring in seiner konzentrierten Form (7,45%, entspricht 1molar) beim Patienten direkt angewendet werden. Das Konzentrat kann schwerwiegende Schädigungen beim Patienten verursachen. Es sind Todesfälle bekannt, ferner können Paravasate zu großflächigen Nekrosen führen.

Anwendungsgebiete
Angewendet werden die oben benannten Konzentrate.

  • im intensivmedizinischen Bereich zur Befüllung von Perfusorspritzen
  • in Krankenhausapotheken zur Herstellung von Lösungen zur totalen parenteralen Ernährung.

Etikettierung und Verpackung
Verwechslungen und Beinahe-Schäden kommen dadurch vor, weil meist alle Infusionslösungen von wenigen Herstellern eingekauft werden, so dass sich die verwendeten Flaschen allein schon in ihrer Form sehr ähneln. Auch das auf den Etiketten hinterlegte Corporate Design der Hersteller schützt nicht gerade vor Verwechslungen.

Es gibt Hersteller, die Kaliumchlorid-Konzentrat mit einer blauen Farbe versehen, um über diesen Weg eine Verwechslung mit anderen Lösungsmitteln, vorzugsweise isotonische Kochsalzlösungen zu vermeiden.


Fehlervermeidungsstrategien

  • Um diesen Fehler dauerhaft zu vermeiden, sollten keine hochkonzentrierten Kaliumchloridlösungen auf den Normalstationen vorrätig gehalten werden. Diese Maßnahme, welche auch durch die WHO im Rahmen des High-5-Projekts propagierte wird, wird in einigen Kliniken schon umgesetzt und durch entsprechende Dienstanweisungen verbindlich gemacht. Beispielsweise ist im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf die Kalium-Substitution für das gesamte Universitätsklinikum geregelt. (siehe Baehr 2007)
  • Eine weitere Maßnahme wäre die Belieferung mit ready-to-use Zubereitungen, im vorliegenden Fall also die Bereitstellung von Perfusorspritzen oder Infusionslösungen in den entsprechenden zugelassenen Verdünnungen aus der Krankenhausapotheke, die über entsprechende Herstellräume verfügen muss. Unter diesen Bedingungen ist ein Vorrätighalten auf Normalstation nicht nötig und auf Intensivstation auf die Perfusorspritzen beschränkt.
  • Logistische Lösungen, z.B. die ausschließliche Belieferung von Intensivstationen mit 50 ml KCl 1molar können auch hilfreich sein. Dieses logistische Verfahren stellt in meinen Augen aber nur die zweitbeste Lösung dar.

 

Zusammenfassung der Maßnahmen zur Vermeidung von Medikationsfehlern mit kaliumhaltigen Arzneimitteln (modifiziert nach Tubman et al. 2005)
 
Arzneimittellagerung
  • Keine konzentrierten Kaliumchloridlösungen in klinischen Bereichen
  • Lagerung nur in verschlossenen Schränken
  • Verbot des Austausches zwischen klinischen Bereichen
 
Zubereitung
  • Grundsätzlicher Gebrauch von verdünnten Fertigarzneimitteln
  • Herstellung von Verdünnungen nur in der Krankenhausapotheke
 
Verpackung
  • Sicherstellung der klaren Unterscheidbarkeit von Kaliumchloridlösungen von anderen Infusionslösungen
 
Verschreibung
  • Verschreibung von Kaliumchlorid in Konzentrationen, in denen Fertigarzneimittel vorhanden sind
  • Vermeidung von unvollständigen und unlesbaren Verschreibungen
  • Verschreibung von oralem Kaliumchlorid zur Behandlung der Hypokaliämie wenn klinisch möglich
 
Verabreichung
  • Erarbeitung klarer therapeutischer Leitlinien, die die maximale Kaliumkonzentration intravenöser Lösungen definieren
  • Erarbeitung klarer therapeutischer Leitlinien, die die Infusionsrate für Kaliumlösungen definieren
  • Einführung des Vier-Augen Prinzips
  • Sicherer Umgang mit Infusionspumpen
 
Pharmazeutische Industrie
  • Einführung eines eindeutigen Standards für die Etikettierung und Verpackung von kaliumhaltigen Lösungen

Diese Zusammenfassung gibt einen Überblick über gängige - in der Literatur beschriebene - Maßnahmen, welche angewendet werden, um Medikationsfehler mit kaliumhaltigen Arzneimitteln zu verhindern. Die Evidenz, ob diese Maßnahmen tatsächlich Medikationsfehler verhindern, ist unsicher.


Literatur:
Baehr, M. Vermeidung von Medikationsfehlern mit konzentrierten Kaliumlösungen. Krankenhauspharmazie 2007, 28:323-327.

Tubman M, Majumdar SR, Lee D, Friesen C, et al. Best practices for safe handling of products containing concentrated potassium.BMJ 2005;331:774-7.
http://www.bmj.com/content/331/7511/274.full.pdf