CIRS Berlin ÄZQ Deuschte Krankenhaus Gesellschaft Deutscher Pflegerat e.V.

Fälle des Monats

Fall des Monats "Februar 2015": Falsche Entlassmedikation mitgegeben

  • Titel: Falsche Entlassmedikation mitgegeben
  • Fall-Nr: 117511
  • Zuständiges Fachgebiet: Innere Medizin
  • Altersgruppe des Patienten: 41-50
  • Wo ist das Ereignis passiert?: Krankenhaus
  • Welche Versorgungsart: Routinebetrieb
  • In welchem Kontext fand das Ereignis statt?: Organisation (Schnittstellen / Kommunikation)
  • Was ist passiert?: Ärztlich korrekt angeordnete Medikation (Bisoprolol) wurde bei Entlassung von Pflegepersonal falsch gerichtet (Amlodipin); gerichtete Medikation wurde von Arzt nicht mehr mit der gestellten abgeglichen.
  • Was war das Ergebnis?: Patient bemerkte die falschen Medikamente und musste wieder ins Krankenhaus kommen.
  • Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereigniss?: Schnittstellenproblematik: Arzt darf Medikamentenausgabe per Anordnung an Pflege delegieren. Der Fehler hätte durch 4-Augen-Prinzip (Pflege) vermieden werden können.
  • Kam der Patient zu Schaden?: nein
  • Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?:
    • Medikation (Medikamente beteiligt?
    • Organisation (zu wenig Personal, Standards, Arbeitsbelastung, Abläufe etc.)
  • Wie häufig tritt dieses Ereignis ungefähr auf?: erstmalig
  • Wer berichtet?: Arzt / Ärztin, Psychotherapeut / Psychotherapeutin

 

Fachkommentar der Steuergruppe KH-CIRS-Netz Deutschland:

Fachkommentar der Steuergruppe KH-CIRS-Netz Deutschland:
Autorinnen: L. Mehrmann, M.Sc., C. Gunkel, Diplom-Pflegewirtin (FH), Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Berlin

Der Bericht beschreibt ein Ereignis zum Zeitpunkt der Vorbereitung einer Krankenhausentlassung. Eine von ärztlicher Seite korrekt angeordnete Medikation wurde von einer Pflegekraft falsch gerichtet. Die Medikation wurde dem Patienten mitgegeben. Der Fehler wurde rechtzeitig vom Patienten bemerkt.

Die Entlassung eines Patienten aus dem Krankenhaus ist eine der Schnittstellen in der Arzneimittelversorgung, bei der vermehrt Medikationsfehler auftreten können [1]. Ein Faktor, der zur Entstehung eines unerwünschten Arzneimittelereignisses nach der Krankenhausentlassung beitragen kann, ist eine unzureichende Überprüfung
der (gerichteten) Medikation [2]. Weitere Faktoren können beispielsweise ein unruhiges Arbeitsumfeld bei dem Stellen der Entlassmedikation sein, z. B. durch hohes Arbeitsaufkommen, Unterbrechung im Arbeitsablauf, Stress und Hektik bei kurzfristiger Entlassung des Patienten.

Ein wesentlicher Sicherheitsschritt beim Richten der Medikation auf Station ist das 4-Augen-Prinzip [3]. In dem vorliegenden Fall hätte durch die Anwendung des 4-Augen-Prinzips von der Pflege oder von Pflege und Arzt das Ereignis vermieden werden können. In der aktuell publizierten Handlungsempfehlung „Arzneimitteltherapiesicherheit im Krankenhaus” des Aktionsbündnis Patientensicherheit wird betont, dass der Arzneimittelprozess eine multiprofessionelle Aufgabe ist, in der die verschiedenen Berufsgruppen (Ärzte, Pflegekräfte, Krankenhausapotheker) in den therapeutischen Prozess eingebunden sind und eng zusammenarbeiten [4]. Die Zusammenarbeit mit der Krankenhausapotheke kann beim Entlassungsprozess hilfreich sein. Denkbar wäre ein pharmazeutischer Entlassmedikations-Service, bei dem ein Krankenhausapotheker auf Grundlage des Arztbriefes einen Medikationsplan für den Patienten erstellt, die Entlassmedikation richtet und diese mit begleitender Information und Beratung an den Patienten gibt [5]. Weiterhin ist das Stellen von Medikamenten in einem ruhigen und störungsfreien Arbeitsumfeld wichtig, um z. B. Fehlern aufgrund von Ablenkung, Unterbrechung, möglichem Vergreifen oder ungenauem Lesen des Medikamentennamens vorzubeugen.

Weiterführende Informationen:

Um Fehlern bei der Entlassmedikation vorzubeugen ist ein strukturiertes Entlassmanagement wichtig. Das Entlassmanagement ist seit Einführung des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes im Jahr 2011 Teil der Krankenhausbehandlung (§ 39 (1) Sozialgesetzbuch V). Für die Verbesserung der Organisation und Zusammenarbeit bei Übergängen von Patienten zwischen Versorgungssektoren wurden 2012 Empfehlungen für das ärztliche Schnittstellenmanagement im Auftrag von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung durch eine interdisziplinäre Expertengruppe unter Moderation des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin entwickelt [6]. Ein relevanter Aspekt bei der krankenhausinternen Entlassungsvorbereitung ist die Erstellung einer Medikationsliste, wobei die Dokumentation der Medikation in Gegenüberstellung zu der Medikation bei Krankenhausaufnahme erfolgen sollte [6]. Das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege hat bereits im Jahr 2009 eine aktualisierte Version des Expertenstandards „Entlassungsmanagement in der Pflege” herausgegeben. Die Anwendung dieses Expertenstandards soll dazu führen, dass der Informationsaustausch zwischen den am Entlassungsprozess Beteiligten gut funktioniert [7].

Generell ist es wichtig, dass in Krankenhäusern Prozesse implementiert werden, die Medikationsdiskrepanzen und potenzielle unerwünschte Arzneimittelereignisse an Versorgungsschnittstellen reduzieren. Hier hat sich „Medication Reconciliation” als ein effektives Verfahren erwiesen. Medication Reconciliation ist die systematische Kontrolle der Arzneimittelverordnung [1]. Mit der Einführung eines solchen Verfahrens soll die akkurate, komplette und einheitliche Sammlung und Weitergabe von arzneimittelbezogenen Informationen an den unterschiedlichen Übergängen im Behandlungsprozess gewährleistet werden [1].
Dieser Ansatz stammt ursprünglich aus den USA und Kanada, wird jedoch auch in Deutschland und Europa zunehmend gefördert, z. B.:

Im Fachkommentar zum Fall des Monats „März 2013” sind weitere Informationen zu Medication Reconciliation bei der Krankenhausaufnahme aufgeführt [8].

Literatur:

  1. Fishman L, Renner D, Thomeczek C. Sicherstellen der richtigen Medikation bei Übergängen im Behandlungsprozess. Krankenhauspharm 2012;33:514-8.
  2. Mehrmann L, Ollenschläger, G. Problemfelder und Best-Practice-Ansätze in der Arzneimittelversorgung an intersektoralen Schnittstellen – Eine Literaturanalyse. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes 2014;108:66-77.
  3. Aktionsbündnis Patientensicherheit (ed.). Checkliste Arzneitherapiesicherheit im Krankenhaus. 2006.
    www.aps-ev.de/fileadmin/fuerRedakteur/PDFs/AGs/07-09-17_MF_Checkliste.pdf, [cited: 2015 Feb 03].
  4. Aktionsbündnis Patientensicherheit (ed.). Handlungsempfehlung Arzneimitteltherapiesicherheit im Krankenhaus. Neuauflage der Checkliste zur AMTS im Krankenhaus der AG Arzneimitteltherapiesicherheit des Aktionsbündnis Patientensicherheit. 2014.
    www.aps-ev.de/fileadmin/fuerRedakteur/PDFs/Handlungsempfehlungen/Arzneitherapiesicherheit/HE_AMTS_Hinweis.pdf, [cited: 2015 Feb 03].
  5. Kantelhardt P. Unterstützung ärztlicher Tätigkeiten – Welchen Beitrag leisten Krankenhausapotheker schon heute? Krankenhauspharm 2009;30(5):201-5.
    www.krankenhauspharmazie.de/uploads/media/KPH_2009_05_Kantelhardt_Tabellen.pdf, [cited: 2015 Feb 02].
  6. Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (eds.). Checklisten für das ärztliche Schnittstellenmanagement zwischen den Versorgungssektoren. 2012.
    www.aezq.de/mdb/edocs/pdf/info/checklisten-schnittstellenmanagement.pdf, [cited: 2015 Feb 03].
  7. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (ed.). Expertenstandard Entlassungsmanagement in der Pflege, 1. Aktualisierung 2009. Osnabrück: Fachhochschule Osnabrück; 2009 (Schriftenreihe des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege).
  8. Krankenhaus-CIRS-Netz Deutschland. Fall des Monats „März 2013”: Fehlmedikation nach Krankenhausaufnahme.
    http://kh-cirs.de/faelle/maerz13.html, [cited: 2015 Feb 03].