Fälle des Monats
- Fall des Monats "April 2015": Medikationssicherheit I: Beinahe-Verabreichung eines falschen Medikaments?
- Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de
- Titel: Medikationssicherheit I: Beinahe-Verabreichung eines falschen Medikaments?
- Fall-Nr: 119795
- Zuständiges Fachgebiet: Psychiatrie
- Wo ist das Ereignis passiert?: Krankenhaus
- Welche Versorgungsart: Routinebetrieb
- In welchem Kontext fand das Ereignis statt?: Nichtinvasive Massnahmen (Diagnostik / Therapie)
- Was ist passiert?: Bei der zufälligen Kontrolle vor der Verabreichung der gestellten Medikamente fiel auf, dass sich bei einer Pat. eine falsche zusätzliche Tablette im Tablettenbecher befand. Die Tablette konnte entfernt werden, aber es konnte nicht geklärt werden, um welches Medikament es sich eventuell handelt.
- Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis?: Die Tabletten werden für den gesamten Tag vom Nachtdienst gestellt. Medikamentenbecher sind nicht mit Namen oder Ähnlichem beschriftet und können daher leicht vertauscht werden. Zusätzlich sind viele Medikamente optisch ähnlich, so dass keine sofortige Erkennung des Medikaments möglich ist. Zur Vermeidung wäre es gut, die Medikamente zeitnah vor Verabreichen zu stellen und spezielle Pat.-Becher mit Beschriftung zu wählen.
- Kam der Patient zu Schaden?: nein
- Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?:
- Persönliche Faktoren des Mitarbeiters (Müdigkeit, Gesundheit, Motivation etc.)
- Organisation (zu wenig Personal, Standards, Arbeitsbelastung, Abläufe etc.)
- sonstiges:
- Wie häufig tritt dieses Ereignis ungefähr auf?: monatlich
- Wer berichtet?: Pflege-, Praxispersonal
Fall des Monats "April 2015": Medikationssicherheit I: Beinahe-Verabreichung eines falschen Medikaments?
Bericht 1
Fachkommentar der Steuergruppe KH-CIRS-Netz Deutschland:
Fachkommentar der Steuergruppe KH-CIRS-Netz Deutschland:
Autorin: Dr. med. Barbara Hoffmann, MPH, in Vertretung der Steuergruppe des Krankenhaus-CIRS-Netz Deutschland
Auf der Station, auf der sich das berichtete Ereignis zutrug, wurden die Tabletten für den ganzen Tag im Nachtdienst gestellt. Dabei wurden keine Dispenser verwendet, sondern unbeschriftete Becher. Aus den folgenden Gründen ist dieses Vorgehen problematisch:
- Die Medikamente werden zu einer Tageszeit gestellt, in der die meisten Menschen am fehleranfälligsten arbeiten, und bei der die Pflegekraft möglicherweise allein auf Station jederzeit von ihrer Aufgabe abgelenkt werden kann.
- Eine Kontrolle der Medikamente durch eine weitere Person (z. B. bei der Ausgabe der Becher an die Patienten) ist nur unzureichend möglich, da die Tabletten nicht mehr eindeutig zu identifizieren sind.
- Die Medikamente werden nicht systematisch nochmals kontrolliert, bevor die Patienten sie erhalten (kein Vier-Augen-Prinzip).
- Eine Verwechslung der Medikation für verschiedene Patienten ist sehr wahrscheinlich, da die Becher nicht beschriftet sind.
Verwechslungen und Fehler beim Stellen von Medikamenten sind häufige Medikationsfehler. Eine mögliche Maßnahme, um die Medikationssicherheit auf dieser Station zu erhöhen, wird von der/dem Berichtenden schon genannt:
- Medikamente sollten nur kurz vor der Verabreichung/Gabe gestellt werden. Dies könnte z. B. auch im Beisein der Patienten geschehen, so dass diese auch aktiv daran beteiligt werden können (sie kennen und "erkennen" ihre Medikamente) und nicht nur passive Empfänger von Tabletten, Tropfen und Dragees sind.
Weitere Maßnahmen könnten sein:
- Medikamente müssen in eindeutig dem Patienten zugeordneten Behältnissen ausgegeben werden. Dazu eignen sich Dispenser, die auf der Station bestückt werden, oder eine Unit-Dose-Versorgung, bei der die Krankenhausapotheke alle Medikamente für die Patienten individuell verpackt.
- In manchen Krankenhäusern wird die Aufgabe des Medikamentenstellens von extra abgeordneten Pflegekräften (im Früh- oder Spätdienst) durchgeführt, die in dieser Zeit keine anderen Aufgaben übernehmen. Für alle anderen Mitarbeiter und Patienten ist dies dadaurch erkennbar, dass sie keine Bereichskleidung tragen. Die Medikamente werden in einem ruhigen Raum gestellt. Bei der Ausgabe der Dispenser an die Patienten wird von einer weiteren Pflegekraft unter Zuhilfenahme der Kurve geprüft, ob der Patient das richtige Medikament in der richtigen Dosierung zum richtigen Zeitpunkt und auf dem richtigen Applikationsweg erhält.
- Ein Standardverfahren der Joint Commission International ist die zeit- und patientennahe Ausgabe. Die Person, die die Medikamente ausgibt, stellt sie auch selbst und zwar im Beisein des Patienten im Patientenzimmer. Die Patienten haben dadurch die Möglichkeit, Fragen zu stellen und auch Beipackzettel einsehen zu können. Extra dafür hergestellte abschließbare Wägen beinhalten die notwendigen Medikamente und verfügen über eine Ablagefläche für Patientenkurven. Hier hat der Nachtdienst lediglich die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich immer alle benötigten Medikamente im Wagen befinden. Damit die Pflegekräfte nicht von ihrer Aufgabe abgelenkt werden, tragen die Pflegenden ggf. eine Warnweste mit der Aufschrift "Bitte nicht stören!".
Ähnliche CIRS-Berichte zum Thema erhalten Sie angefügt bzw. in der Fallverlinkung.
Bericht 2
- Titel: Medikationssicherheit II: Dispenser vertauscht
- Fall-Nr: 119797
- Zuständiges Fachgebiet: Chirurgie
- Altersgruppe des Patienten: 61-70
- Geschlecht des Patienten: weiblich
- Wo ist das Ereignis passiert?: Krankenhaus
- Welche Versorgungsart: Routinebetrieb
- In welchem Kontext fand das Ereignis statt?: anderer Kontext:
- Was ist passiert?: Die Tabletten-Tages-Dispenser wurden vertauscht. In einem 2-Bett-Zimmer erhielten die Patienten die jeweilige Schachtel der Mitpatienten.
- Was war das Ergebnis?: Eine der beiden Patienten hatte die Morgendosis eingenommen, ehe der Irrtum auffiel.
- Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis?: Nachtdienst verteilt die Schachteln. Patienten dabei nur dem Namen nach bekannt, keine visuelle Zuordnung
- Kam der Patient zu Schaden?: Minimaler Schaden / Verunsicherung des Patienten
- Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?:
- Persönliche Faktoren des Mitarbeiters (Müdigkeit, Gesundheit, Motivation etc.)
- Organisation (zu wenig Personal, Standards, Arbeitsbelastung, Abläufe etc.)
- Medikation (Medikamente beteiligt?)
- Wie häufig tritt dieses Ereignis ungefähr auf?: erstmalig
- Wer berichtet?: Pflege-, Praxispersonal
Bericht 3
- Titel: Medikationssicherheit III: Patient nimmt Medikation des Nachbarpatienten ein
- Fall-Nr: 119799
- Zuständiges Fachgebiet: anderes Fachgebiet: Onkologie
- Altersgruppe des Patienten: 71-80
- Geschlecht des Patienten: männlich
- Wo ist das Ereignis passiert?: Krankenhaus
- Welche Versorgungsart: Routinebetrieb
- In welchem Kontext fand das Ereignis statt?: anderer Kontext: Medikation
- Was ist passiert?: Zwei ältere, aber nicht desorientierte Patienten haben morgens ihre Medikamente in Form von Tablettenblister (Unit Dose) auf ihre Nachtschränke gestellt bekommen. Patient A begibt sich ins Bad und Patient B nimmt die Medikamententüte vom Nachtschrank des Patienten A und nimmt die Tabletten ein.
- Was war das Ergebnis?: Der Oberarzt wurde umgehend informiert und schätzt die Situation als nicht kritisch ein.
- Kam der Patient zu Schaden?: nein
- Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?:
- Kommunikation (im Team, mit Patienten, mit anderen Ärzten etc.)
- Organisation (zu wenig Personal, Standards, Arbeitsbelastung, Abläufe etc.)
- Medikation (Medikamente beteiligt?)
- Wie häufig tritt dieses Ereignis ungefähr auf?: erstmalig
- Wer berichtet?: Arzt / Ärztin, Psychotherapeut / Psychotherapeutin